Warum ist die Pflicht zur Einführung einer digitalen Arbeitszeiterfassung ein aktuelles Thema?
Mit Beschluss vom 13.09.2022 hat das BAG (Bundesarbeitsgerichts) entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System einzuführen, mit dem die von den Beschäftigten geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Das BAG stützt sich dabei auf eine bereits im Arbeitsschutzgesetz bestehende Norm – § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG.
Der Beschluss steht nun im Raum – und was bedeutet das jetzt für die unternehmerische Praxis?
Das BAG hat in der bereits geltenden Gesetzgebung eine arbeitsschutzrechtliche Verpflichtung erkannt, die tägliche Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen. Aus diesem Grund gilt diese Verpflichtung ab sofort – der Gesetzgeber kann diese im Nachgang gegebenenfalls etwas nachjustieren. Angekündigt wurde eine praxistaugliche Anpassung noch im ersten Quartal 2023.
Wir haben Ihnen nachfolgend die 7 wichtigsten Fragen zusammengefasst, die uns im Beratungsalltag immer wieder beschäftigen. Nehmen Sie diese gerne zum Anlass, die Umsetzung der Zeiterfassung in Ihrem Unternehmen zu überprüfen. Sollten Sie Fragen haben oder Hilfe bei der Umsetzung benötigen, sprechen Sie uns gerne an!
1. Wer muss sich an die neue Verpflichtung halten?
Jeder Arbeitgeber, unabhängig von der Größe des Betriebs oder der Branche, ist dazu ab sofort verpflichtet.
2. Wozu bin ich als Arbeitgeber verpflichtet?
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (auch bei mobiler Arbeit) sowie die Zeiten von Ruhepausen und sonstigen Unterbrechungen der Arbeitszeit sind zu dokumentieren. Die Bereitstellung des Systems reicht nicht aus. Der Arbeitgeber muss nachhalten, ob die Arbeitnehmer das System nutzen und ihre Arbeitszeit erfassen.
3. Wer muss seine Arbeitszeit erfassen?
Alle „Beschäftigten“ im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes müssen ihre Arbeitszeit erfassen. Hierunter zählen auch Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen, Praktikanten und Volontäre. Ob und inwieweit auch leitende Angestellte unter die Verpflichtung fallen, ist unter der aktuellen Gesetzeslage nicht ersichtlich. Klarheit muss der Gesetzgeber schaffen.
4. Wie muss die Arbeitszeit erfasst werden?
Das BAG macht in seinem Beschluss keine Vorgabe, welches System (analog oder digital) zur Arbeitszeiterfassung genutzt werden müsse. Vielmehr spricht der EuGH im „Stechuhr-Urteil“ vom 14. Mai 2019 von einem „objektiven, verlässlichen und zugänglichen“ System.
Wichtig ist also: Erfassen Sie erst einmal in einer für Ihr Unternehmen praxistauglichen Methode die Arbeitszeit. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber noch nähere Vorgaben machen wird. Die Arbeitszeiterfassung kann auch an die Beschäftigten delegiert werden.
5. Hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht?
Jein – Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, ob ein System zur Arbeitszeiterfassung eingeführt wird oder nicht. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers ergibt sich nach Ansicht des BAG unmittelbar aus dem Gesetz. Der Betriebsrat hat allerdings ein Mitbestimmungsrecht bei der konkreten Ausgestaltung des Zeiterfassungssystems. Es empfiehlt sich, Betriebsvereinbarungen zu schließen, in denen das Verfahren zur Zeiterfassung verbindlich geregelt ist und die Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Nutzung des Zeiterfassungssystems verpflichtet werden.
6. Ist die Vertrauensarbeitszeit nun passé?
Arbeitnehmer haben in der Regel ein großes Interesse am „Home-Office“ und einer ausgewogenen „work-life-balance“. Allerdings hat der Arbeitgeber auch bei Vertrauensarbeitszeit die Pflicht, den Arbeitsschutz einzuhalten. Die Vertrauensarbeitszeit kann weiterhin gelebt werden, allerdings nur mit der Verpflichtung zur Dokumentation (und Kontrolle) der Arbeitszeit.
7. Was passiert, wenn ich mich nicht an die Verpflichtung halte?
Nach derzeitigem Stand drohen Bußgelder erst, wenn die Arbeitsschutzbehörde die Einführung eines Zeiterfassungssystems im Unternehmen anordnet und der Arbeitgeber dieser Anordnung nicht nachkommt. In dem Fall können Bußgelder bis zu 30.000,- EUR verhängt werden. Die Praxis der behördlichen Überwachung bleibt abzuwarten.
Was ist aus datenschutzrechtlicher Sicht zu beachten?
Die Erfassung von Arbeitszeit stellt eine Verarbeitung personenbezogener Daten dar. Die Verarbeitung bedarf einer Rechtfertigung gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Da sich die Verpflichtung aus dem Gesetz ergibt, ist folglich Art. 6 Abs.1 lit. c DSGVO in Verbindung mit § 3 ArbSchG, § 26 BDSG anzuwenden .
Zudem müssen Sie bei der Einführung noch folgende Punkte beachten:
- Klären Sie die Zugriffsrechte auf die Daten in der Zeiterfassung. Der Zugriff sollte weitestgehend eingeschränkt sein.
- Begrenzen Sie die Speicherdauer der Daten auf 2 Jahre
- Nehmen Sie die Verarbeitung in Ihr Verarbeitungsverzeichnis auf.
- Nehmen Sie bei einer Zusammenarbeit mit externen Anbietern die Verarbeitung in das Auftragsverarbeitungsverzeichnis auf und
- Schließen Sie gegebenenfalls einen Auftragsverarbeitungsvertrag ab.
Kann ich auch eine biometrische Zeiterfassung nutzen?
Biometrische Zeiterfassung ist grundsätzlich datenschutzrechtlich zulässig. Allerdings sind biometrische Daten (wie z.B. ein Fingerabdruck) nach der DSGVO besonders geschützt. Daher müssen Sie als Arbeitgeber dezidiert darlegen können, dass die Einführung eines solchen Systems in Ihrem Betrieb erforderlich ist, also kein gleichgeeignetes System zur Verfügung steht, das weniger (sensible) personenbezogene Daten der Beschäftigten speichert. Eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen ist notwendig.
Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems weiter definiert. Allerdings müssen Sie trotzdem jetzt schon aktiv werden und ein System zur Zeiterfassung einführen. Dieses muss aber nicht zwangsläufig digitalisiert sein.
Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe bei der Umsetzung in Ihrem Unternehmen benötigen, sprechen Sie uns gerne an!
– Matthias Klagge, LL.M. –