Eine schöne Bescherung werden sich die Verantwortlichen des Online-Händlers notebooksbilliger.de (NBB) gedacht haben, als am 21. Dezember 2020 statt einer Weihnachtskarte ein Bußgeldbescheid des Landesdatenschutzbeauftragten Niedersachen auf dem Gabentisch lag. 10,4 Millionen EUR soll das Unternehmen aus Hannover für Verstöße gegen die DSGVO zahlen – nie haben die Behörden in Niedersachsen zuvor eine höhere Sanktion verhängt. Die Unternehmensleitung hat nunmehr angekündigt, sich gegen die Vorwürfe zur Wehr zu setzen und Einspruch gegen den Bescheid einzulegen.

Stein des Anstoßes war die durch NBB praktizierte Videoüberwachung. Über einen Zeitraum von 2 Jahren habe das Unternehmen Mitarbeiter und Kunden unter Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht in unzulässiger Art und Weise überwacht. Kameras hätten laut den Datenschützern Arbeitsplätze, Verkaufsräume, Lager und sogar Aufenthaltsbereiche erfasst, ohne dass für eine solche weitgehende Überwachung eine Rechtsgrundlage vorgelegen habe. Das Argument von NBB, mit den Kameras habe man das Ziel verfolgt, Straftaten zu verhindern und aufzuklären sowie den Warenfluss in den Lagern nachzuverfolgen, ließ das LfD Niedersachsen nicht gelten. Eine Videoüberwachung zur Aufdeckung von Straftaten sei nur rechtmäßig, wenn sich ein begründeter Verdacht gegen konkrete Personen richtet. Ohne begründeten Verdacht im Einzelfall könne eine solch umfassende Überwachungsmaßnahme nicht mit dem Gedanken der „Abschreckungswirkung“ gerechtfertigt werden. Es müssten zunächst mildere Mittel, wie z.B. stichprobenartige Taschenkontrollen beim Verlassen des Arbeitsplatzes, in Betracht gezogen werden. Ansonsten führe Videoüberwachung von Mitarbeitern dazu, dass Betroffene den Druck empfinden, sich möglichst unauffällig zu benehmen, um nicht wegen abweichender Verhaltensweisen kritisiert oder sanktioniert zu werden. Dass dies nicht hinzunehmen ist, hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden.

Im Fall von NBB wog ferner schwer, dass Aufzeichnungen ohne erkennbare Erforderlichkeit bis zu 60 Tage gespeichert wurden. Auch Kunden waren von der unzulässigen Videoüberwachung betroffen, da einige Kameras auf Sitzgelegenheiten im Verkaufsraum gerichtet waren. Auch hier vertrat das LfD Niedersachsen die Ansicht, dass in einem Bereich, in dem der Kunde ein Gerät ausgiebig testet und sich daher länger dort aufhält, hohe datenschutzrechtliche Interessen bestünden.

NBB hat sich gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt und angekündigt, den Bußgeldbescheid gerichtlich anzufechten. Die Geschäftsführung von NBB erachtet das Bußgeld der Höhe nach für unverhältnismäßig, da dieses in „keiner Relation zur Größe und Finanzkraft des Unternehmens sowie zur Schwere des angeblichen Verstoßes“ stehe. Ob dem wirklich so ist, wird sich zeigen. Denn angesichts von 879 Millionen EUR Jahresumsatz beträgt die Strafzahlung prozentual nur gut 1 % und bewegt sich daher im gesetzlichen Rahmen, der schließlich Bußgelder in Höhe von bis zu 4 % des Jahresumsatzes als Sanktion vorsieht. Inhaltlich wird es zur Verteidigung im Ergebnis nicht ausreichen, dass NBB sich darauf beruft, Videoüberwachung gehöre bei Versandunternehmen zum „Branchenstandard“, denn die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Videoüberwachung gerade am Arbeitsplatz ist relativ streng. Es bleibt daher abzuwarten, wie der Bescheid durch das angerufene Gericht beurteilt wird.

Fazit:

Unabhängig von den Erfolgsaussichten des eingelegten Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid verdeutlicht der Fall, dass Unternehmen stets sorgsam mit dem Instrument der Videoüberwachung umgehen sollten. Betriebsgelände und Mitarbeiter dürfen nicht ungeprüft einer Totalüberwachung unterzogen werden, ansonsten drohen empfindliche Bußgelder wie im Fall von NBB. Im Zweifel sollte daher bei kritischen Sachverhalten stets eine Datenschutzfolgeabschätzung vorgenommen werden.


Autor: Sebastian Keilholz, LL.M.

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