Insoweit ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung der letzten Jahre hier leider einen roten Faden vermissen lässt. Eine klare Tendenz, ob datenschutzfremde Ziele mit Art. 15 DSGVO verfolgt werden dürfen oder nicht, lässt sich Beschlüssen und Urteilen bislang nicht entnehmen. Allgemeiner Konsens derjenigen Gerichte, die sich auch bei datenschutzfremden Zielen für einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO aussprechen, ist ein weites Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten. Nach Ansicht des LG Paderborn (LG Paderborn Urt. v. 15.12.2021 – 4 O 275/21 = ZD 2022, 509) könnten Versicherungsscheine, Nachträge und Informationsschreiben zu Beitragsanpassungen nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO ausgeschlossen werden, da in ihnen personenbezogene Daten enthalten sein können. Hiergegen führt das LG Köln (Urteil v. 19.6.2019 – 26 S 13/18 = ZD 2019, 413) ins Feld, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht der vereinfachten Buchführung diene, sondern nur sicherstellen solle, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen kann. Zurückliegende Korrespondenz der Parteien unterfalle dem Auskunftsanspruch ebenso wenig wie Datenauskünfte zu internen Bearbeitungsvermerken oder über das Prämienkonto zum Versicherungsverlauf.
Ein sehr beachtenswertes und aktuelles Urteil zu der Thematik hat am 14.12.2022 das OLG Celle abgesetzt (Az. 8 U 165/22). Das OLG Celle hat entschieden, dass der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO nicht zweckgebunden ist und nicht aus den in Erwägungsgrund 63 der DSGVO genannten Gründen geltend gemacht werden muss. Konkret hat der Senat in seinem Urteil die Ansicht vertreten, dem Kläger (ein Krankenversicherungsnehmer) stehe gegen die Beklagte (Krankenversicherung) ein Auskunftsanspruch gemäß Art. 15 DSGVO hinsichtlich der erfolgten Beitragsanpassungen der vergangenen Jahre zu. Das Urteil der Vorinstanz hatte demgegenüber den Auskunftsanspruch noch verneint. Diese wenig einheitliche Linie über den Instanzenzug hinaus ließe sich insoweit fortsetzen.
Worum geht es bei dem Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO?
Das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO stellt ein bedeutsames Betroffenenrecht dar. Hiernach können betroffene Personen von dem Verantwortlichen, der für die Datenverarbeitung zuständig gewesen ist, Auskunft darüber verlangen, welche Daten gespeichert bzw. verarbeitet werden.
Eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Auskunftsanspruch im Allgemeinen finden Sie in unserem Beitrag vom 19. September 2022: https://tigges-dco.de/2022/09/19/schreckgespenst-datenauskunftsanspruch-gemaess-dsgvo-worauf-sich-unternehmen-nach-der-neueren-rechtsprechung-einstellen-muessen/
Datenschutzfremde Ziele ein Hindernis für die Auskunft?
In der oben genannten Entscheidung des OLG Celle stellt sich die Frage, wie ein Auskunftsbegehren über Beitragsanpassungen zu bewerten ist. Auf den ersten Blick scheint es sich bei der Auskunft über Beitragsanpassungen vergangener Jahre um datenschutzfremde Ziele zu handeln. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Nach Erwägungsgrund 63 S. 1 der DSGVO dient das Auskunftsrecht der betroffenen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten dem Zweck, sich der Datenverarbeitung bewusst zu sein und die Möglichkeit zu erlangen, deren Rechtmäßigkeit auch überprüfen zu können. Genau diese Gedanken des Erwägungsgrundes bilden den Ausgangspunkt für die Entscheidung des OLG Celle. Entscheidend für das Bestehen eines Auskunftsanspruches sei daher, ob die von der Beklagten dem Kläger anlässlich der Beitragsanpassungen übersandten Nachträge zum Versicherungsschein Informationen nach diesen Kriterien enthalten.
Ferner seien gemäß Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DSGVO personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Die Definition wird durch das OLG nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, sofern sie nur die in Rede stehende Person betreffen. Letzteres ist der Fall, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Schreiben des Versicherers an den Versicherungsnehmer sind grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO anzusehen. Die personenbezogene Information bestehe bereits darin, dass sich die Beklagte dem Schreiben gemäß geäußert habe, so der Senat. Die anlässlich der Beitragsanpassungen von der Beklagten an den Kläger übersandten Nachträge zum Versicherungsschein hatten den konkreten zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag zum Gegenstand und gestalteten diesen inhaltlich teilweise neu. Auch die anlässlich der Beitragsanpassung übersandten Mitteilungsschreiben unterfallen in ihrer Gesamtheit dem Begriff der personenbezogenen Daten und müssten daher – so das OLG – Teil einer Auskunft sein.
Unabhängig hiervon bestehe der auf Art. 15 DSGVO gestützte Auskunftsanspruch auch dann, wenn der Betroffene bereits über die geforderten Informationen verfügt. Es hilft also nicht, dass ein zur Auskunft Verpflichteter sich darauf beruft, dass der Betroffene bereits im Besitz der streitgegenständlichen Informationen sei.
Datenschutzfremd oder nicht – das OLG Celle hat in dieser wichtigen Entscheidung einen Anspruch nach Art. 15 DSGVO bejaht. Da die Frage einer Zweckgebundenheit des Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO aber auch grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Revision zum BGH zugelassen. Fortsetzung folgt also ggf.
Sofern Sie Rückfragen zum Datenauskunftsanspruchs haben oder Sie Hilfe bei der Beantwortung eines Auskunftsbegehrens benötigen, dann sprechen Sie uns gerne an!